Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

SÜD-OST Dez 14 | Jan 15

15 Der Fleischesser unterschlägt in seinem Gespöttel zudem, dass sein Schnitzel eigentlich die Abkürzung für Schweine-,Kalbs- oder Putenschnitzel ist,und man sollte ihn mal fra- gen, wieso das alles gesagt werden darf, nicht aber Sojaschnitzel. Auch nicht zu vergessen: Holzhackschnitzel, Rübenschnitzel und Schnitzeljagd. Der Bayer übrigens verspeist tagein tagaus Leberkäse, ferner Fleisch- und, wenn er Lust auf was Exotisches hat, Fischpflanzerl. Meckert doch aber auch keiner rum deswegen. Außer mir gerade. Auch hat die normaldeutsche Fischfrikadelle sicher niemals solche Anfeindungen erfahren wie die Tofufrikadelle. Und der männliche Vegetarierverachter ist darüberhinaus auch nicht aufgerufen, seinen Adamsapfel gefälligst nicht als Apfel zu bezeichnen, wo er doch aus Fleisch besteht. Anders als bspw. Rippchen und Lende wächst gerade die Wurst nichtmal als solche im Tierleib heran. Jedenfalls nicht die Wurst, die man essen will. Was soll die Diskussion Tofu- vs. Brat-, Fleisch- und Bock- aber eben auch Erbs-, Bett- und Kackwurst also?!? Es könnte einem jedem humanoiden Karnivoren langsam mal dämmern, dass die Form ausschlaggebender für die Bezeichnung ist als das Material, den Gebrauch der Begriffe kann man also getrost einem jeden zugestehen. Zum Glück waren Mohn-, Lakritz- und Puddingschnecken vor der Brat- wurstschnecke auf dem Markt, sonst müsste man mit ihm auch noch hierüber eine Dis- kussion führen. Die hätte man aber vielleicht mit der Frage beenden können, ob denn Bratwurstschnecken lebendig ins kochende Wasser geschmissen oder totgesalzen werden, wie Freund Weinbergschnecke vor dem Gang in die Bratpfanne. Seltsamerweise wird keins dieser Argumente vorgebracht, wenn die dämliche „Nenn dei- ne Sachen gefälligst nicht so wie meine heißen“-Kritik des Fleischverzehrers im privaten oder auch öffentlichen Raum steht. Vielleicht habe ich die Ausnahmen verpasst, aber ich habe an solchen Stellen bislang ausschließlich Zustimmung von Fleischessern und mü- hevoll herbeigestammelte, eingeschnappte und gehaltlose Verteidigungen von Fleischab- lehnern gehört. Einmal LEBERKÄSE! in den Raum geworfen und, falls der Fleischesser Verständnisprobleme hat und deutlicherer Sprache bedarf, nötigenfalls noch die Kack- wurst nachgelegt - Ende der Diskussion. Wer möchte, kann all die vielen Worte, die das Fleischverzehrsverfechter-Blödmannsar- gument als Hirnriss entlarven, weiter ergänzen durch die Begriffe Gehörschnecke, Ab- rissbirne, Tee-Ei, Kalbsnüsschen oder die Farfalle- also Schmetterlings-Nudel, durch die Gerichte Himmel und Erde, Palatschinken oder Handkäs mit Musik und Produkte wie Traumcreme, Fischpudding oder Gummibärchen. Wer möchte, kann auch eine Whats- App-Gruppe zur Sammlung weiterer Beispiele gründen. Aber wer möchte das schon? Ich möchte, und das ist mein Wunsch für jedes neue Jahr, dass mancher mal mehr nach- denkt, bevor er eine Position vertritt. Ganz sicher (k)ein frommer Wunsch. Zeit für Besinnlichkeit: Sprechen Sie vor dem Essen einen Toast auf das Leben Ihrer Weihnachtsgans. Oder gedenken Sie beim nächsten Biss in die Tofuwurst doch mal der Insekten und Feldmäuse, die bei der Sojaernte ums Leben kamen. Auch sie haben Aufmerksamkeit verdient. 15

Seitenübersicht