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SÜD-OST Dez13/Jan14

17 ich, erneut verunsichert, mit den beiden den Zug verließ um nochmals den Schaffner zu behelligen. Der rückte jetzt mehr Informationen heraus und legte sich auf die ersten beiden Waggons fest.Um weitere Eventualitäten auszuschließen,entschied ich mich für den ersten.Dies war keine der Reisen,auf denen ich zu Verspätungen führende Irrtümer hätte in Kauf nehmen wollen. Inzwischen war es mit Sitzplätzen natürlich Essig. Der Waggonboden war aufgrund der herrschenden Außentemperaturen zum Sitzen zu kalt, also ließ ich im Stehen die Kälte an meinen Nieren vorbeiziehen. Unangenehmer allerdings als diese Kälte, war die soziale Kälte, welche einer der Passagiere verströmte. Es war ein junger Mann, der sich recht unzweifelhaft einer radikalistischen Strömung, und zwar einer rechtsdrehenden, zuordnen ließ. Dass er seinen etwa fünf Jahre alten Sohn dabei hatte, verzeichnete ich als akut wirksames deeskalierendes Moment. Papa war, passend zum übrigen Outfit, mit Springerstiefeln angetan, die Stahlkappen bereits abgewetzt, vom Hinterkopf her schimmerte irgendeine Tätowierung hervor und den einen Unterarm zierte das ab- geschmackte Bild einer billigen Tittenmaus. Dazu ein weißes T-Shirt mit schwarzen Tribals und eine dicke Panzerkette um den Hals, in der Hand schon mal eine Pulle mit irgendeinem Bier-Limo-Mix.Wohl von meinem Äußeren angetan, starrte besagter Radikalinski mich eine Weile recht unverhohlen an, bevor ihm sein auffälliges Stieren endlich selbst auffiel. Fortan beglotzte er mich dann durch die blaugetönten Gläser seiner Sonnenbrille weiter. Ich nehme an, er hielt dies für ausreichend höflich. Kurz vor Erreichen des nächsten Bahnhofes baute sich ein Passagier, in Lonsdale-Jacke gewan- det, an der Waggontüre auf. Als der Zug im Bahnhof zum Stehen kommt, steigt der Mann jedoch nicht aus, sondern hängt sich vornüber aus der offenen Türe heraus um in den anderthalb Minuten bis zu des Schaffners Pfiff gierig ein paar Rauchschwaden aus einer Zigarette zu saugen. Gegen fünfzehn Uhr wurde das thüringische Gößnitz erreicht. Ich stieg aus am Gleis 4. Am selben Bahnsteig gegenüber, wie üblich, Gleis 3. Mein Anschlusszug sollte auf Gleis 1 zu finden sein. Nur konnte ich keinen weiteren Bahnsteig entdecken. In einiger Entfernung erblickte ich wenigstens eine Treppe, die von diesem Bahnsteig herunter führt, musste sie jedoch gar nicht nutzen, denn wie ich beim Näherkommen gewahrte, ist in Gößnitz Gleis 1 Gleis 3, nur weiter vorne. So haben die findigen Gößnitzer ihrem Bahnhof ganz ausgekocht den Superlativ ‚Längster Bahnsteig Deutschlands‘ verschafft, mit dem dort auf großen Schildern geprahlt wird. Eine Handvoll Fahrgäste wartete mit mir an diesem Superstar von Bahnhof. Unter den wartenden ein untersetzter Vater, die kurzen Beine in einer Tarnfleck-Hose untergebracht, und dessen Töchter. Die eine Tochter, circa elf Jahre alt, gehüllt in eine glänzende Bomberjacke und Baggy-Jeans, die andere Tochter, vielleicht sieben, wie der Papa in Tarnfleck gekleidet. Wieder werde ich freimütig beglotzt. Diesmal von den beiden Gören, und zwar abschätzig von oben bis unten über die getarnten Schultern hinweg. Man scheint hier offenherzig. Nach mittlerweile sechs Stunden auf der Bahn konnte mich allerdings auch das Unter- haltungsprogramm nicht mehr davon ablenken,dass die ganze Reise enervierend wurde. Und dann ist es ja nicht nur die Hinfahrt. Es ist immer auch noch die Rückfahrt. So mündete auch der Weihnachtsbesuch in der Rückfahrt, und zwar kurz vor Silves- ❅❅❅ ❅ ❅ ❅ ❅ ❅ ❅❅ ❅ 17 ❅

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